Noch nie haben Marketing- und Kommunikationsabteilungen so viele Daten generiert wie heute. Doch wo sind die Daten nur Mittel zum Zweck und wo wird wirklich datenbasiert gearbeitet? Aufgrund langjähriger Beratung von Unternehmen aus unterschiedlichen Industriezweigen konnten wir viel Potenzial ausmachen, das auch heute bei den meisten Konzernen ungenutzt bleibt.
#1 Die ersten Schritte: von post-analytischer zu prädiktiver Datenarbeit
Viele Beratungsprojekte innerhalb von Marketing- und Kommunikationsabteilungen großer Konzerne haben aufgezeigt, dass binnen der Kanäle und Disziplinen die Nutzung von Performance-Daten bereits etabliert ist. Egal ob es dabei um die kontinuierliche Verbesserung von Social-Media-Kampagnen, die Optimierung von Webseiteninhalten oder der User Experience geht. Der moderne Kanal-Manager hat sich ein optimales System aus Tools gebaut, die ihm helfen, Erfolge seines Kanals messbar zu machen und diesen kontinuierlich zu optimieren.
Doch sobald es um kanalübergreifende Entscheidungen geht, sieht die gängige Praxis bei vielen Unternehmen anders aus. Große Entscheidungen werden nach wie vor mit den gleichen, gelernten Methoden abgesichert, wie schon vor vielen Jahren. Dabei handelt es sich um Methoden, die der Führungsetage bekannt sind: Marktforschung und Auswertungen vergangener Aktivitäten. Diese Datenquellen haben auch für viele Fragestellungen nach wie vor ihre Daseinsberechtigung. Doch die Frage ist, ob zusätzliche digitale Datenquellen präzisere Insights für Marketing Predictions liefern könnten.
Heute beschäftigen sich die meisten Marketing-Vordenker mit AI und Machine-Learning – was für die Weiterentwicklung der Marketing-Tool-Landschaft bei Salesforce, Google, Adobe und Co. höchst wichtige Themen sind. Marketing-Teams selbst sollten aber lieber an konkreten datengetriebenen Use Cases arbeiten, die heute schon möglich sind. Dabei dreht es sich häufig darum, digitale Daten aus ihren Umsetzungs-Silos zu befreien und in einen kanalübergreifenden Kontext zu bringen.
#2 SEO-Daten ergänzend zur Marktforschung nutzen
Um mehr über die Präferenzen der eigenen Zielgruppe im Kontext einer Kommunikationsstrategie zu lernen, verlassen sich die meisten Marketing-Teams nach wie vor auf Marktforschungsmethoden – sei es die Auswertung von Marktforschung oder die Erhebung von eigenen Zielgruppen-Studien. Hier können Marketer die Forschung natürlich genau auf die Fragestellungen ausrichten, die für sie relevant sind. Da Kommunikation und Informationen zu den Produkten sowie Services der Marken aber mehr und mehr ihren Schwerpunkt in den digitalen Raum verlagern, stellt sich die Frage, ob nicht auch digitale Datenquellen relevante Insights zu Zielgruppenpräferenzen liefern müssten.
Eine noch viel zu selten genutzte Datenquelle ist die Google Keyword Analyse. Profi-SEO-Tools wie Searchmetrics, Semrush oder Sistrix können für weit mehr eingesetzt werden als die Suchmaschinenoptimierung einer Webseite. Denn die Frage, was Menschen wann und wie häufig googeln, ist aufgrund der Durchdringung der Suchmaschine durch fast alle Alters- und Gesellschaftsschichten zu einem Quasi-Abbild der Realität geworden. Richtig aufbereitet, lässt sich diese Datenquelle für die Beantwortung verschiedener Fragen einsetzen: Sind die Themen meiner Marke für die digitale Kommunikation überhaupt relevant? Interessieren sich die Menschen überhaupt für die differenzierenden Kernaspekte meines Produktes oder Services? Ist mein Kampagnen-Thema überhaupt resonanzfähig? Investiere ich mit meiner aktuellen Content-Produktions-Agenda überhaupt in die richtigen Themen?
Für uns als Strategieberater für Marketing und Kommunikation ist diese Datenquelle ein zentraler Baustein unseres Toolsets, da wir auf internationaler Ebene ad hoc-Informationen zu Entwicklungen des Nutzerinteresses für unsere Kunden erheben können.
#3 Website-Analytics für übergeordnete Strategie einsetzen
Auch die detaillierte, kontinuierliche Analyse des Nutzerverhaltens auf der eigenen Website kann oftmals ein detaillierteres Bild über die produktspezifischen Interessen potenzieller Kunden liefern. Die erhobenen Daten werden jedoch meist nur zur Optimierung der UX oder des Contents verwendet. Was jedoch, wenn auch diese Insights den Weg in die Produkt- oder Serviceentwicklung finden und somit Features, Technologien oder gar neue Business-Modell entstehen können?
Wir wissen, dass die Planung von Launch-Kampagnen für Produkte oder Services in der Regel auf klassischen Zielgruppen-Studien beruht, die Werteraum und Mediennutzung beleuchten. Anhand dieser Basis werden dann ganz klassisch kreative Leitideen entwickelt und es gibt noch ein paar Botschaften für spezifische Kanäle on-top. Insights, wie zum Beispiel meistgeklicktes Produkt, häufigste Konfigurationen, höchste Sub-Page-Verweildauer – ja sogar höchste Bounce-Rate einer Unterseite – all diese Daten haben noch viel zu selten Einfluss auf die übergeordnete Marketing-Planung. Was Menschen lesen, klicken, betrachten, ist eben das, was sie interessiert. Daher empfehlen wir immer, dass die aus einer Tiefenanalyse der Webseite gewonnen Daten auch als Sprungbrett für die Service-, Produkt- und Kommunikationsentwicklung genutzt werden.
#4 Social Listening Daten mit Hilfe von Artificial Intelligence auswerten
Social Listening Daten werden heute bereits von jedem professionellen Kommunikations- und Marketing Team verwendet. Dabei steht einerseits die kanalübergreifende Messung der Kommunikations- und Kampagnen-Performance im Fokus, andererseits dient Social Listening als Frühwarnsystem für sich anbahnende Krisen, egal ob es um technische Probleme der Produkte oder um eine PR-Krise geht.
Ein vergleichsweises neues Feld ist aber die Auswertung von Social Listening Daten mit unternehmensspezifischen AI-Algorithmen. Ein hoch interessanter Use Case ist dabei das Live Tracking von Markenwerten. So können mit Hilfe von AI und Machine Learning Millionen von Nutzerkommentaren und digitalen Inhalten semantisch ausgewertet und in Zusammenhang mit Markenwerten gebracht werden. In Kombination mit einer Analyse des Sentiments kann dadurch die Performance der einzelnen Markenwerte berechnet werden. So können Social Listening Daten aus Tools wie Brandwatch in Kombination mit KI-Tools zu einer wichtigen Quelle des Brand Managements werden. Diese Methode kann in vielen Bereichen sicher nicht so passgenaue Insights liefern wie ein marktforschungsbasiertes Marken-Tracking, aber einmal aufgesetzt, liefert es über den gesamten Jahresverlauf hinweg kontinuierlich Insights. Ein Investment, welches sich schnell auszahlen kann.
#5 Datenstrategie entwickeln und implementieren
Marketingabteilungen brauchen eine kanalübergreifende Datenstrategie, mit der die richtigen Datenquellen – egal aus welchem Kanal – mit übergeordneten Zielsetzungen des Marketings in Zusammenhang gebracht werden. Der wichtigste erste Schritt ist die Zusammenführung der Datenquellen. Häufig erreichen die Marketing-Entscheider nur aufbereitete Reportings von Kampagnen. Die eigentliche Datenquelle und die Rohdaten werden oft nur tief in der Fachabteilung ausgewertet oder im schlimmsten Falle sogar beim Media- und Kreativ-Dienstleister. Somit sieht der Entscheider nur das, was er auch sehen soll. Die Datenstrategie muss also im ersten Schritt dafür sorgen, dass alle Datenquellen direkt an ein zentrales, eigenes Data Management angeschlossen werden. Im zweiten Schritt müssen diese Daten analysiert, angereichert und visualisiert werden. Denn wer datengetriebene Arbeitsweisen in einem Marketing-Team implementieren möchte, muss diese nicht nur für alle Hierarchiestufen verfügbar machen, sondern sie auch noch verständlich aufbereiten. Hierbei hilft der Aufbau von Use Case orientierten Dashboards. Das heißt, dass bei der Entwicklung eines Data Dashboards zuerst definiert werden muss, für welche Prozesse, Team-Mitglieder und Entscheidungen das Dashboard Insights liefern soll.
Diese Aufgabe ist inhaltlich wie technologisch nicht zu unterschätzen. Es braucht dedizierte Verantwortliche für das kontinuierliche und vor allem objektive Messen sämtlicher KPIs. Objektiv können nur Mitarbeiter sein, die keine kanalspezifischen Interessen verfolgen. Und nicht zuletzt gönnen sich große Marketing-Teams ja auch eigene Marktforschungs-Spezialisten – es liegt also nahe, zukünftig diese Teams zu Marketing und Business Intelligence-Teams weiterzuentwickeln.
Der wichtigste Schritt der Implementierung ist sicherlich die Weiterentwicklung der bestehenden Arbeitsprozesse. Hierbei müssen alle gelernten Arbeitsschritte auf den Prüfstand gestellt werden. Egal ob es das Briefing der Kreativagentur, der Budget-Allokationsprozess oder Freigabeprozesse sind. Die Frage lautet immer: Wo können Daten helfen, Entscheidungen besser oder schneller zu treffen, da das Engagement des Top-Managements überflüssig wird? Welche Verantwortlichkeiten müssen umverteilt werden, welche Prozessschritte inhouse statt vom Dienstleister erledigt werden?
Fazit:
Durch die Digitalisierung des Marketings führt kein Weg an datengetriebenen Arbeitsweisen mehr vorbei. Unternehmen stehen an der Schwelle von post-analytischer zu prädiktiver Datenarbeit, somit sollte jeder Entscheider und Manager in Kommunikation und Marketing ein Stück weit selbst zum Daten-Analysten entwickeln.
Wer heute seine Hausaufgaben in datengetrieben Arbeitsweisen macht, ist auf einem guten Weg zukünftige Möglichkeiten künstlicher Intelligenz in Marketing und Kommunikation einsetzen zu können. Denn wer in der Lage ist Entscheidungen auf Basis von Daten zu treffen, kann auch einer künstlichen Intelligenz etwas sinnvolles beibringen.