CRTN fragt: Pia Frey, Gründerin Opinary

In der Interviewreihe „CRTN fragt“ unterhält sich CRTN-CEO Jasper von Hardenberg mit klugen Köpfen aus der Marketing- und Medienwelt über die Markenstrategien der Zukunft, Purpose und Corona. In dieser Ausgabe spricht er mit Opinary-Gründerin Pia Frey unter anderem darüber, wie sich das Nutzungsverhalten auf der Meinungsplattform in Zeiten der Pandemie verändert hat und welche Anpassungen Opinary im Marketing unternommen hat.

 

Pia, viele Marken- und Kommunikations-Kampagnen sind in Zeiten der Coronakrise auf Eis gelegt worden. Besonders hart trifft das aktuell die Print-Publisher. Inwieweit spürt Ihr die Krise bei Opinary? Geht es schon wieder aufwärts?

Wir haben die Krise in zweierlei Hinsicht zu spüren bekommen: Auf der einen Seite explodierte unser Traffic. Wir hatten verschiedene Umfragen mit weit über einer Million abstimmenden Leser*innen und haben in der Corona-Hochphase international über eine Milliarde Impressions generiert. Das Level hat sich gehalten. Mittlerweile erreichen wir konstant weit über die Hälfte der deutschen Internetnutzer*innen. Auf der anderen Seite haben viele unserer Kund*innen in der Schockphase ihre Kampagnenbudgets eingefroren oder gecancelt. Wir mussten sehr schnell unsere komplette Outreach-Strategie und unsere Marketingpläne anpassen, haben in Windeseile ein neues Performance-Produkt gelaunched und konnten mit diesen Initiativen sogar ein paar neue Kund*innen gewinnen, etwa aus dem öffentlichen Sektor. Aber unser Umsatz sah für ein paar Wochen insgesamt trotzdem dünn aus. Seit Anfang Mai geht es wieder spürbar aufwärts und mittlerweile sind wir zuversichtlich, dass wir unsere Jahresziele weiterhin erreichen können. 

Ich würde Euch als einen Hybrid aus Engagement- und Online-Marketing-Tool für Publisher beschreiben. Interagieren die User in der Krise mehr mit Eurem Tool, weil es weniger persönlichen Austausch gibt? Welche Veränderungen des Nutzer*innenverhaltens habt Ihr in den letzten Wochen und Monaten in Euren Datenanalysen gesehen?

Neben der Tatsache, dass während der Krise deutlich mehr Nachrichten konsumiert wurden, hat sich für uns wieder bestätigt, dass Menschen in Krisen viele und starke Meinungen haben. Wenn gefühlt die komplette Normalität aus den Angeln gehoben wird, gibt es kein “ist mir egal” mehr, da hat jede*r etwas zu sagen. Dieser erhöhte Mitteilungsdrang spiegelt sich unmittelbar in unseren Tools wider. Man könnte meinen, dass die Meinungen in einer Phase wie dieser auch radikaler werden – aber das hat sich nicht bestätigt. Zu Anfang der Krise gab es kein Thema außer Corona. Das ändert sich langsam. Ich habe mich richtig gefreut, als neulich die Frage in unseren Top-Charts auftauchte, ob man Stefan Raab im Fernsehen vermisse. Wenn solche Themen trenden, weiß man, dass sich die Gemüter langsam wieder beruhigen. 

Man könnte meinen, dass die Meinungen in einer Phase wie dieser auch radikaler werden – aber das hat sich nicht bestätigt.

Es gibt viele spannende Insights, wie sich das Konsument*innenverhalten gerade ändert. Wie verändert sich jedoch das, was Marken, Publisher und Dienstleister interessiert? Könnt Ihr eine Veränderung erkennen?

Da sind große Veränderungen im Gange: Eindeutig erkennen wir, dass es mit dem anstehenden Tod des Third-Party-Cookies ein deutlich gesteigertes Bewusstsein dafür gibt, mit seinen Zielgruppen eine Direktbeziehung aufbauen zu müssen. Früher wurde unser kontextuelles Targeting als Limitation begriffen, jetzt ist unsere NLP-Technologie, die den Kontext jedes Artikels erkennen und mit dem richtigen Werbemittel matchen kann, plötzlich sehr gefragt. Auf Verlagsseite hat sich der Fokus auf Abos in der Krise noch weiter gesteigert – und bei den Leser*innen stieg die Zahlungsbereitschaft. Ob die nach der Probephase alle bei der Stange bleiben, steht auf einem anderen Blatt, aber wir haben über unsere Tools selten so viele Leser*innen in Bezahlangebote konvertiert wie in den letzten Wochen. 

Habt Ihr Euer eigenes Marketing in der Krise adaptiert oder anpassen müssen? Macht Ihr mehr Content Marketing, mehr PR oder musstet Ihr Dinge zurückfahren?

Bisher waren Events und Konferenzen unser wichtigster Sales-Kanal. Eigenes Content Marketing haben wir nie gezielt gemacht. Bis Corona kam! Mit Support von unseren Investoren bei Project A haben wir in Windeseile unser eigenes System aufgebaut. Wir stehen noch völlig am Anfang – aber wir bekommen mittlerweile mit Case Studies auf LinkedIn und Webinaren mehr Leads rein, als bei so mancher Konferenz. Ohne Corona wären wir da sicher nicht so schnell und effizient aus dem Quark gekommen.

Mit vielen Agenturen haben wir enge Beziehungen, da macht es nichts, dass man sich jetzt erstmal nur auf dem Bildschirm sieht.

Wie digital ist Euer Vertrieb aufgestellt? Sind die Einschränkungen im persönlichen Kontakt (Stichwort Ausfall der OMR, weniger persönliche Meetings) für Euren Vertrieb eine echte Herausforderung oder sogar eine Chance weil Ihr da bereits digitaler aufgestellt seid als andere?

Am Ende kommt es darauf an, ob unsere Argumente überzeugen und ob die Kund*in Zielgruppen-Engagement für sich überhaupt als relevant erachtet. Wenn das Grundverständnis nicht gegeben ist, ist es egal über welchen Kanal man miteinander kommuniziert. Mit vielen Agenturen haben wir enge Beziehungen, da macht es nichts, dass man sich jetzt erstmal nur auf dem Bildschirm sieht. Im Neukund*innengeschäft ist es schwieriger, über digitale Kanäle einen richtigen Draht aufzubauen. Hier kommen ganz neue Talente zum Vorschein. Manche Menschen wirken auf dem Screen sogar charismatischer und nahbarer. Ein paar unserer Kolleg*innen waren vorher schon sehr präsent auf Twitter und LinkedIn, das zahlt sich jetzt aus, um eine gemeinsame Basis und Vertrauen herzustellen. 

Letzte Frage: Was habt Ihr in den Wochen des Shutdowns ganz konkret für Euch als Team gelernt? Und bei welchen Dingen wünscht Ihr Euch wieder Normalität?

Miteinander diese fundamentale Ungewissheit zu erleben, hat uns stärker gemacht. Das Team hat unfassbaren Can-Do-Spirit gezeigt. Viele der Initiativen, die gestartet wurden, werden hoffentlich beibehalten. Im April sind wir gemeinsam in 50 Prozent Kurzarbeit gegangen – das war schmerzhaft, aber hat uns viel beigebracht in Sachen Zeitmanagement und Effizienz. Zum Beispiel, dass sich viele Meetings auf 15 Minuten runterkochen lassen. Für mich vielleicht das Wichtigste: Analogen Umgang miteinander, live und in Farbe, empfinde ich mittlerweile als großes Privileg. Videocalls sind funktional fein, aber kommen nicht an die Realität heran. Die zählt aber, wenn man Erfolge miteinander feiert, neue Teammitglieder aufnimmt und auch bei Verabschiedungen – all sowas ist auf dem Bildschirm nur so lala. Eine große Portion menschliche Nähe bleibt auf der Strecke. 

Vielen Dank für das Gespräch, Pia! 

Copyright Portrait: Opinary, 2020

Über CRTN:

CRTN (https://crtn.io/; lies: certain) ist eine strategische Marken- und Kommunikationsberatung, die besonderen Wert auf die datenbasierte Verknüpfung der Bereiche Brand und Performance legt. Zu den Kunden von CRTN zählen die AOK, die Volkswagen Group oder das Startup Nolte Bier. CRTN ist inhabergeführt und wurde 2018 in Berlin von Jasper von Hardenberg, Andrew Santos und Paul Ledder gegründet.